Halbleiter sind die unsichtbaren Helden unserer Zeit. Sie stecken in Smartphones, Computern, Autos und unzähligen weiteren Geräten und sind essenziell für unser modernes Leben. Doch die Abhängigkeit von Halbleitern aus Asien hat die Weltwirtschaft in den letzten Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Umso wichtiger ist es, eigene Lösungen zu entwickeln.
Die SilTest Semiconductors GmbH, ein junges Startup mit Sitz im Technologie-Zentrum Kleve, setzt genau hier an. Das Unternehmen fokussiert sich auf die Entwicklung von Spezialchips und die Durchführung von Testverfahren für Halbleiter. Mit dieser Ausrichtung sticht SilTest in Deutschland hervor und bietet maßgeschneiderte Lösungen – von der Planung bis zur Produktion.
Im Interview mit NRW.Global Business spricht Sameer Saran, Gründer und Geschäftsführer von SilTest, über die Visionen des Unternehmens und das Potenzial von NRW als Standort für die Halbleiterindustrie. Er erklärt außerdem, dass der Fachkräftemangel eine große Herausforderung für die Branche ist und wie er mit seinem Unternehmen Abhilfe schaffen möchte.
- Herr Saran, wie würden Sie es Laien erklären: Was sind Halbleiter und warum sind Sie für unsere Wirtschaft so wichtig?
Saran: Halbleiter sind die leistungsstarken Gehirne hinter einem Großteil unserer modernen Technologie, von Smartphones über Autos bis hin zu medizinischen Geräten. Sie sind unverzichtbar, weil sie den Stromfluss in elektronischen Geräten steuern und dafür sorgen, dass diese effizient arbeiten. Halbleiter sind sozusagen das Rückgrat der modernen Technologie und bilden die Grundlage für praktisch jeden Aspekt unseres digitalen Lebens.
Die Anerkennung von Halbleitern als „Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ durch die deutsche Regierung unterstreicht ihre entscheidende Rolle für Wirtschaftswachstum, Innovation und nationale Wettbewerbsfähigkeit. So wie Rohstoffe wie Kohle, Eisen und Öl die industriellen Revolutionen der Vergangenheit angetrieben haben, sind Halbleiter die Grundlage für die digitale Revolution von heute. Sie ermöglichen Fortschritte in den Bereichen künstliche Intelligenz, autonome Fahrzeuge, erneuerbare Energien, Gesundheitswesen und mehr.
- Und Sie wollen diese wichtige Branche nun in Deutschland stärken. Was genau bieten Sie mit Ihrem Unternehmen an?
Saran: Derzeit besteht unser Angebot aus zwei Hauptsäulen: Engineering Services sowie Tools & Automation. Bei den Engineering Services unterstützen wir Unternehmen dabei, die Lücke zwischen Labor und Fertigung zu schließen, also Lösungen für die Zeit nach der Siliziumentwicklung zu finden – in den Phasen der Produktentwicklung, Prüfung und Produktionsoptimierung bis hin zum Management des Produktionsvorlauf, der Skalierung und der Logistik. Im Bereich Tools & Automation stellen wir Analysesoftwares bereit, die die Entwicklung qualitativ hochwertiger und profitabler Halbleiter-Produkte oder die Testverfahren vereinfacht. So können Kosten gesenkt und Produktionsphasen verkürzt werden. Jeder Chip, der auf den Markt kommt, muss so schnell und zuverlässig wie möglich getestet werden. Die Entwicklung einer solchen Testlösung für die Massenproduktion erfordert Fähigkeiten und Erfahrungen, über die unser Team verfügt.
Dabei fokussieren wir uns klar auf die Zielgruppe kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Während große Unternehmen in der Regel über ein etabliertes Lieferantennetz und die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügen, fehlt KMUs in der Regel der Zugang zu Schlüsseltechnologien und Lieferanten in Europa. Wir wollen mit diesen kleinen und mittelständischen Chipdesign-Unternehmen in NRW, in Deutschland und im übrigen Europa zusammenarbeiten, um ihnen zu helfen, qualitativ hochwertige Produkte schneller auf den Markt zu bringen.
- Was sind die größten Herausforderungen bei der Produktion von Halbleitern?
Saran: Die Chipproduktion ist wahrscheinlich eines der komplexesten Unterfangen in der Lieferkette. Stellen Sie sich vor, Sie setzen ein millionenfaches Puzzle unter einem Mikroskop zusammen. Selbst ein winziger Fehler kann das Ganze stören, was die Produktion komplex und anspruchsvoll macht. Diese Komplexität und die ständige Nachfrage nach schnelleren und effizienteren Chips stellen die Halbleiter-Hersteller vor ständige Herausforderungen.
Ein weiterer Aspekt ist die Materialverschwendung und der Energieverbrauch. Um die fehlerhaften Chips auszusortieren und dies auf effiziente Weise zu tun, sind hochentwickelte Werkzeuge wie unsere Software für Datenanalyse, YieldOptiX, erforderlich. Und auch der Mangel an qualifizierten Fachkräften spielt eine Rolle.
- Sie sprechen den Fachkräftemangel an. Wie sieht es genau in der Branche aus? Was sind die Gründe?
Saran: Die Nachfrage ist gewaltig. Heute fehlen in Europa über 100.000 qualifizierte Halbleiter-Fachkräfte. Nach Angaben des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie wird zudem etwa ein Drittel der deutschen Halbleiter-Fachkräfte in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Das merken wir selbst: Wenn wir offene Stellen ausschreiben, gibt es kaum eine Bewerbung aus Deutschland. Wir haben Glück gehabt, aber branchenweit dauert es mehrere Monate oder sogar Jahre, um Schlüsselpositionen zu besetzen.
Die Gründe dafür sind meiner Meinung nach vielfältig. Zunächst einmal ist es die frühe Ausbildung, die Gymnasiasten sehen technische Studiengänge nicht als attraktiv an. Wir müssen dort ansetzen und ihnen zeigen, wie cool es sein kann, welchen Einfluss sie auf die Welt haben werden, wenn sie in der Technologiebranche arbeiten. Der zweite Grund ist das Fehlen von Lehrveranstaltungen zum Chipdesign und -tests an den Universitäten. Die Technische Universität Dresden schickt Studenten nach Taiwan, um Chipdesign zu studieren. Warum richten wir nicht spezielle Kurse an deutschen Universitäten ein?
- Sie gehen einen anderen Weg und haben eine Akademie gegründet. Warum?
Saran: Europa wird in den kommenden Jahren mehrere Tausend Halbleiter-Fachleute brauchen. Da braucht es kreative Lösungen. Wir haben die SilTest Academy gegründet, um unsere eigenen Ingenieure auszubilden, weil es in Deutschland keinen Ort gibt, an dem Chiptests von Grund auf gelehrt wird. Unsere Akademie begann zunächst als internes Trainingsprogramm für unsere neuen Mitarbeiter. Doch dann dachten wir: Warum sie nicht für andere öffnen? Unsere Vision ist es, uns zu einem führenden Schulungszentrum für verschiedene wichtige Fähigkeiten in der europäischen Halbleiter-Industrie zu entwickeln. In Zukunft werden wir weitere Kurse im Rahmen der SilTest Academy anbieten und sind auch offen für Partnerschaften mit anderen Universitäten oder Unternehmen, um unser Angebot weiterzuentwickeln und es angehenden Fachkräften gemeinsam anzubieten.
- Warum haben Sie sich für NRW als Standort entschieden? Welche Vorteile hat der Standort gerade für Startups?
Saran: Zunächst habe ich mich für NRW wegen seiner Lage entschieden. Die Nähe zu mehreren Hightech-Unternehmen innerhalb von NRW und auf der anderen Seite der Grenze in den Niederlanden ist definitiv ein Vorteil, wir konnten einige schon als Kunden gewinnen. Außerdem ist die Region durch den Luftverkehr gut an den Rest Europas angebunden, was für uns sehr wichtig ist.
Zweitens bietet NRW einen Kostenvorteil im Vergleich zu Großstädten wie München. Das ermöglicht uns, Top-Talente anzuziehen und wettbewerbsfähige Gehälter zu zahlen.
Und als dritten Vorteil würde ich das florierende Startup-Ökosystem nennen. Wir haben Kontakt zu Startups im gleichen Bereich und können von ihren Erfahrungen profitieren – beispielsweise, wenn es darum geht, Partner und Kunden zu finden. In NRW existiert ein breites Angebot an Foren, Meet-ups und Konferenzen für Startups, sowie ein gut vernetztes finanzielles Fördersystem, was für jedes erfolgreiche Unterfangen entscheidend ist.
- Welches Potenzial hat NRW, um ein wichtiger Standort für die Halbleiter- und Chip-Industrie zu werden? Was sind Stärken?
Saran: Damit eine Region in dieser Branche erfolgreich sein kann, müssen einige Dinge stimmen, wie eine günstige Regulierung, Zugang zu den wichtigsten Lieferanten der verwendeten Materialien und Technologien, geeignete Flächen, hervorragende Infrastruktur wie Straßen, Häfen und Flughäfen, erschwingliche Versorgungsleistungen wie Wasser und Strom, gute Universitäten und Zugang zu Finanzmitteln. NRW erfüllt mehrere dieser Kriterien. Ich denke also, dass alle Voraussetzungen gegeben sind, damit NRW eine Schlüsselrolle in der Industrie spielen kann.
Um dieses Potenzial auszuschöpfen, sind jedoch gezielte Anstrengungen erforderlich, um ein breites Spektrum von Unternehmen anzuziehen, von großen Konzernen bis hin zu kleinen und mittleren Innovatoren und Zulieferern. Wenn wir uns auf die Schaffung eines unterstützenden Ökosystems konzentrieren, kann NRW tatsächlich zu einem bedeutenden Zentrum der Halbleiter- und Chipindustrie werden.
- Was sind die langfristigen Ziele und Visionen von SilTest?
Saran: Die langfristige Vision von SilTest ist es, als Bindeglied zwischen Produktentwicklungsteams und Großherstellern zu fungieren. Wir wollen ein strategischer Entwicklungspartner für unsere Kunden werden, der modernste Test- und Qualifizierungslösungen für eine breite Palette von Chips anbietet, einschließlich neuer Technologien wie Photonik, Siliziumkarbid und Galliumnitrid. Dazu wollen wir als Nächstes ein Forschungslabor einrichten, das sich der Entwicklung neuer Test- und effizienter Produktionsmethoden für alle Arten von Chips widmet.
- Herr Saran, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!