Mit der Kompetenzplattform KI.NRW begleitet das Land NRW Unternehmen in die digitale Zukunft. Mit praxisnaher Beratung, innovativen Projekte und einem starken KI-Ökosystem unterstützt KI.NRW insbesondere KMU und Startups dabei, die Potenziale der Künstlichen Intelligenz zu nutzen und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Geschäftsführer Dr. Christian Temath spricht im Interview über die Plattform und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI.
- Was ist die Kompetenzplattform KI.NRW und welche Ziele verfolgt sie?
KI.NRW ist die vom Land NRW geförderte Kompetenzplattform für Künstliche Intelligenz in Nordrhein-Westfalen. Sie ist angesiedelt am Fraunhofer IAIS in Sankt Augustin bei Bonn, einem der größten Forschungsinstitute für angewandte KI in Europa. Mit KI.NRW wollen wir Künstliche Intelligenz bei den vielen Unternehmen hierzulande, insbesondere bei KMUs in die konkrete Anwendung bringen und auf diese Weise den Wirtschafsstandort NRW stärken und bundesweite Sichtbarkeit schaffen. Dafür bringen wir Spitzenforschung und innovative Unternehmen zusammen, beispielsweise in der KI.NRW-Flagship-Initiative: Hierbei handelt es sich um KI-Leuchtturmprojekte, in denen Fachleute aus Mittelstand, Startups, Universitäten, Hochschulen sowie Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten und mithilfe von KI drängende Realweltprobleme lösen. Die Ergebnisse helfen dabei, beispielsweise Prozesse in Handwerksbetrieben, Produktionshallen und im Handel zu verbessern.
- Wie unterstützt KI.NRW konkret Forschende, Unternehmen und Startups im Bereich Künstliche Intelligenz, um die digitale Transformation und Wettbewerbsfähigkeit in NRW voranzutreiben?
Als KI.NRW begleiten wir insbesondere KMUs und Startups in Nordrhein-Westfalen beim Start ihrer KI-Reise. Dafür haben wir verschiedene Angebote, die kostenfrei über unsere Website ki.nrw gebucht werden können. Dazu zählen beispielsweise Erstberatungen wie unsere „KI.Sprechstunde“, aber auch der „KI.Kick-off“. In unserem Format „AI.Shadowing“ gehen unsere Expertinnen und Experten direkt in die Unternehmen und beobachten Prozesse und Abläufe, um dann KI-Potenziale zu identifizieren, zu bewerten und sie nutzbar zu machen. Und in Workshopformaten wie dem „AI Design Sprint™“ erarbeiten wir gemeinsam mit den Mitarbeitenden eines Unternehmens ein konkretes Konzept für einen KI-Anwendungsfall. Hier empfehlen wir zuallererst, klein, einfach und messbar zu starten. Man sollte mit einem konkreten Prozess anfangen, einem, den man sehr gut verstanden hat. Ich kann Startups und Gründende also nur dazu motivieren, den Mut zu haben, sich mit dem Thema KI zu beschäftigen. Wir unterstützen gerne.
Auch möchte ich auf unsere digitale KI.Landkarte verweisen. Sie ist eine von KI.NRW kuratierte Übersichtskarte, mit der wir das KI-Ökosystem Nordrhein-Westfalens abbilden. Darin lassen sich Forschungseinrichtungen recherchieren, Universitäten sowie Fachhochschulen usw. Auch finden sich darauf zahlreiche Einträge aus dem Bereich der Wirtschaft: Man erfährt also, welche Unternehmen KI-Lösungen anbieten und welche Anwendungsbeispiele es gibt. Hierüber können sich Akteure aus Wirtschaft und Forschung selbstständig vernetzen. Außerdem listen wir Studiengänge und Qualifizierungsangebote für die Nachwuchsfachkräfte von morgen.
- Können Sie Beispiele nennen, wie und wo KI die Wirtschaft in NRW bereits verändert hat?
Die gerade erwähnte KI.Landkarte zeigt mit ihren aktuell rund 1.300 Einträgen das Wachstum des nordrhein-westfälischen KI-Ökosystems sehr gut und hält zahllose Beispiele bereit. Ein prominenter Fall ist das in Köln ansässige „Einhorn“ DeepL. Das Unternehmen, das mit seinem maschinellen Übersetzungssystem bekannt wurde, ist das am höchsten bewertete KI-Startup in Deutschland. Im Gebäude-Energiemanagement z. B. hilft das GreenTech-Unternehmen Recogizer mittels KI den Energieverbrauch in gewerblichen Immobilien um mehr als 20 Prozent zu senken. Aber auch bei der Touren- und Auftragsplanung (adiutaByte) und der Produktion von frischen Lebensmitteln, wie Backwaren (Foodforecast Technologies), können mithilfe von KI Ressourcen eingespart werden. Aber auch zur Produktverbesserung sowie Produktivitätssteigerung ist KI einsetzbar. In der KI-gestützten Qualitätssicherung „Damage Detection“ beispielsweise erfolgt die ermüdungsfreie Inspektion von Hagelschäden an Autos oder Kratzern auf Solarpanelen. In einem anderen Beispiel nutzt ein Hersteller von Kunststofffenstern (VEKA AG) Generative KI und digitale Zwillinge, um neue Fensterprofile zu entwickeln. Das sind nur einige Belege dafür, wie KI die Wirtschaft in NRW verändert hat und weiter verändern wird.
- In welchen Branchen wird KI voraussichtlich noch mehr an Bedeutung gewinnen oder sich endgültig durchsetzen? Und in welchen Bereichen sehen Sie noch ungenutztes Potenzial für KI-Anwendungen?
KI kommt als Querschnittstechnologie praktisch überall zum Einsatz, wie auch die gerade genannten Beispiele verdeutlichen – sowohl in der Automobilbranche, im Maschinenbau als auch im Dienstleistungsbereich. Daher werden künftig in vielen Arbeitsbereichen neue KI-Tools zur Verfügung stehen, die auf Generativer KI basieren und uns assistieren. Gen AI sehe ich vor allem im Bereich der Produktentwicklung und -verbesserung: Hier wird eine KI beispielsweise Vorschläge für neue Produktvariationen machen oder zur Optimierung bestehender Designs, die dann im weiteren Entwicklungsprozess genutzt werden können. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass insbesondere repetitive, administrative Prozesse künftig größtenteils durch Künstliche Intelligenz unterstützt werden, beispielsweise im medizinischen Bereich – etwa in der Dokumentenanalyse oder bei der Erstellung von Arzt- und Entlassungsbriefen. Außerdem bestehen im Bereich des Kontakts mit Kundinnen und Kunden massive Möglichkeiten zu assistieren und zu automatisieren, etwa mit Chatbot- oder Voicebot-Systemen.
Enorme Potenziale sitzen meines Erachtens im Bereich der öffentlichen Verwaltung, zum einen im Hinblick auf die künftige Verrentungswelle, um Serviceangebote langfristig weiter anbieten zu können. Auf der anderen Seite kann mithilfe von KI die Zugänglichkeit von Diensten für viel breitere Bevölkerungsschichten verbessert werden, etwa wenn es um Sprachbarrieren oder um das richtige Ausfüllen von komplizierten Formularen geht.
- Welche Chancen eröffnet KI in NRW für internationale Unternehmen?
Das KI-Ökosystem in NRW zeichnet sich unter anderem durch eine lebendige Startup-Szene, eine traditionelle Industrie und viele „Hidden Champions“ aus, die ihre spezifischen Branchen und Domänen sehr gut beherrschen und die konkrete KI-Anwendungen kontinuierlich weiterentwickeln. Mit dieser breit aufgestellten Wirtschaft gepaart mit innovativen, weltweit erfolgreichen Unternehmen aus NRW ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für internationale Player, um gemeinsam KI in der Breite der Wirtschaft erfolgreich in die Anwendung zu bringen. Dass der Standort NRW attraktiv ist, zeigt beispielsweise die milliardenschwere Investition von Microsoft in zwei Rechenzentren und KI-Bildungsprogramme im Rheinischen Revier in der Region um Aachen. In dessen Umfeld entstehen somit beste Bedingungen für die Ansiedlung von KI-Unternehmen und Startups.