In Wuppertal hat sich mit dem Circular Valley ein zentraler Standort für die Kreislaufwirtschaft etabliert. Es leistet einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Transformation der Wirtschaft in NRW und hat das Potenzial, die Region zu einem globalen Hotspot der Circular Economy zu machen. Initiiert von Dr. Carsten Gerhardt, setzt die Initiative auf die enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Wissenschaft und Politik, um innovative Ansätze für eine zirkuläre Wirtschaftsweise zu fördern. Die Region Rhein-Ruhr bietet ideale Bedingungen, um neue Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln und sie in die Praxis umzusetzen.
Im Interview mit NRW.Global Business spricht Dr. Carsten Gerhardt über die Rolle des Circular Valley als Schnittstelle zwischen Startups und etablierten Unternehmen, die globale Bedeutung von NRW für die Kreislaufwirtschaft und die langfristigen Perspektiven für die regionale Wirtschaft.
Was ist das Circular Valley überhaupt und was ist die Idee dahinter?
Circular Valley ist eine Initiative und ein Ort. Die Initiative bringt die Transformation von der linearen zur zirkulären Wirtschaftsweise entscheidend voran. Dazu vernetzt sie Unternehmen untereinander sowie Wirtschaft, Politik und Wissenschaft miteinander. Die Unternehmen kommen so in einen für sie ungewöhnlich vertraulichen Austausch über die Grenzen ihrer Werksgelände hinweg und vom Planen ins Handeln. Für junge Unternehmen hat Circular Valley ein Accelerator-Programm entwickelt, in dem bereits mehr als 100 Startups aus der ganzen Welt gefördert wurden.
Außerdem kümmert sich Circular Valley um Wissenssammlung und -transfer sowie Öffentlichkeitsarbeit etwa im Bildungs- und Kulturbereich. All das macht Circular Valley zu einem Ort, der aufgrund seiner einmaligen Industrie-, Hochschul- und Forschungsstruktur ideal als Zentrum der Entwicklung ist. Die erweiterte Rhein-Ruhr-Region wird zu dem globalen Hotspot der Circular Economy, zum Silicon Valley der Kreislaufwirtschaft.
An welche Art Unternehmen/Startups richtet sich das Angebot und wie können sie von der Förderung des Circular Valley profitieren?
Unser Circular Economy Accelerator richtet sich an junge Unternehmen, deren Geschäftsmodell in einem Bereich der Kreislaufwirtschaft für einen großen Fortschritt sorgt. Damit sind alle Punkte entlang des Stoffkreislaufs gemeint: von der Entwicklung neuer Rohstoffe und Materialien über die Produktionsprozesse und Software/KI-Programme, die die Stoffströme transparent machen, bis hin zu mechanischem und chemischem Recycling. Ein wichtiges Kriterium dabei ist, dass die Ideen der Startups geeignet sind, Emissionen in einer Größenordnung von Milliarden Tonnen zu vermeiden.
Die Startups entwickeln im Circular Valley ihre Geschäftsmodelle entscheidend weiter: durch hochkarätige Coaches und Mentoren, durch weitreichende Einblicke in die Praxis und durch unser Netzwerk, das sie mit potenziellen Partnern, Investoren und Förderern zusammenbringt.
Auf welche Weise kann NRW konkret vom Circular Valley profitieren? Welche Impulse für die nachhaltige Transformation der Wirtschaft gehen von Ihrer Initiative aus?
Nordrhein-Westfalen kann zum Zentrum der fünften industriellen Revolution werden. Die Bedeutung der Circular Economy ist hier früher als andernorts erkannt und sofort vorangebracht worden. Die Unternehmen aus unserem Netzwerk sind im zirkulären Denken und Handeln weiter als andere, sie nehmen in ihren Branchen Vorreiter-Rollen ein. Sowohl dort als auch in den Circular-Valley-Startups, die sich hier ansiedeln, entstehen Arbeitsplätze der Zukunft.
Für die nachhaltige Transformation spielen die verschiedenen Veranstaltungsformate von Circular Valley eine Schlüsselrolle: Der Partnertalk ermöglicht den vertraulichen Austausch über Unternehmensgrenzen hinweg. Das Circular Valley Forum ist das große Jahrestreffen der Kreislaufwirtschaft, das aktuelle Entwicklungen zeigt und starke Impulse für die folgenden zwölf Monate gibt. Und die Circular Valley Convention in Düsseldorf wird ab 2025 die Messe sein, auf der Ideen und Technologien für die Transformation präsentiert werden.
Können Sie uns Beispiele für erfolgreiche Projekte nennen, die durch das Circular Valley beschleunigt wurden oder überhaupt erst entstanden sind?
Circular Valley hat die erste grenzüberschreitende Kooperation in der Kreislaufwirtschaft ermöglicht: Nordrhein-Westfalen und Flandern haben dafür im November 2023 beim Circular Valley Forum ein Memorandum of Understanding unterzeichnet. Diese Vereinbarung wurde anschließend sofort mit Leben gefüllt. Die Zusammenarbeit erfolgt in den Themenfeldern Chemische Industrie, Batterien und Baustoffe. In allen drei Feldern sind jeweils mehr als zehn Unternehmen direkt beteiligt. Ähnliche Projekte mit jeweils zahlreichen Unternehmenspartnern haben wir darüber hinaus in drei weiteren Bereichen entwickelt: Circular Car (für Automobilhersteller und Zulieferer), Wasser und Chemisches Recycling. Außerdem haben dank Circular Valley etablierte Unternehmen und Startups zusammengefunden. Beispiele dafür sind Bayer und Bioweg, Huehoco und die Carbonauten, Knipex und Plastic Fischer.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Kreislaufwirtschaft und wie begegnet das Circular Valley diesen Herausforderungen?
Ich sehe im Wesentlichen zwei Herausforderungen: Regulation und Finanzierung. Die Circular Economy braucht Leitplanken und Ziele durch den Gesetzgeber, die zugleich genügend Freiräume für die Entwicklung lassen. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie ist dafür ein gutes Beispiel. Wir sind sehr dankbar dafür, dass das Thema als Ganzes so vorangebracht wird und verlässliche Ziele formuliert wurden. Zugleich gehen wir davon aus, dass diese Strategie offen für Weiterentwicklungen im Markt ist. Ich denke dabei zum Beispiel an die Möglichkeiten der Rückwärts-Logistik, des chemischen Recyclings und der internationalen Zusammenarbeit. Deshalb bringen wir insbesondere in diesen Feldern die Unternehmen zusammen und die Umsetzung voran. Der Leitspruch des Circular Valley lautet „Grow the Economy – Protect the Environment“. Die Kreislaufwirtschaft bietet enormes Wachstumspotential und eröffnet völlig neue Geschäftszweige. Diese gewaltigen Chancen führen wir Investoren und Unternehmen mit unseren Formaten und in unserer Öffentlichkeitsarbeit vor Augen. Gerade für den Start und das erste Wachstum braucht es dabei staatliche Unterstützer und mutige Pioniere, die mit ihrer Förderung Prototypen und die ersten marktreifen Produkte möglich und sichtbar machen. Solche finanziellen Anstöße für die große Entwicklungen kommen ebenfalls durch unser Netzwerk zustande.